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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:03.05.2001
Aktenzeichen:VK 10/00
Rechtsgrundlage:VwGG § 46; PfDG §§ 84, 85
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Abberufung, Pfarramt, Gemeindefrieden
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Leitsatz:

  1. Zur Unterscheidung der Abberufung einer Pfarrerin/eines Pfarrers nach § 84 Abs. 1 Ziff. 2 PfDG und nach § 84 Abs. 2 PfDG.
  2. Zu den Voraussetzungen einer Abberufung nach § 84 Abs. 2 PfDG:
    • Eine Störung des Gemeindefriedens kommt zwar nach der Struktur dieser Norm schon darin zum Ausdruck, dass mindestens zwei Drittel der Mitglieder des Leitungsorgans durch ihre Stimmabgabe zu erkennen geben, keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu sehen.
    • Um eine missbräuchliche Entscheidung auszuschließen, ist jedoch auch im Rahmen dieser Norm zu verlangen, dass weitere Indikatoren für die Störung des Gemeindefriedens geprüft werden.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
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Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Abberufung aus der Pfarrstelle der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde B. im Kirchenkreis …, in der er seit dem … 1999 seinen Dienst versehen hat.
Ausweislich der Protokolle über die Sitzungen des Presbyteriums ergaben sich schon bald nach Dienstantritt des Klägers Unstimmigkeiten zwischen ihm einerseits und Mitarbeitern und Presbytern andererseits. So heißt es in dem Protokoll der Sitzung vom 25. Oktober 1999: „In diesem Zusammenhang weist Pfr. K. das Presbyterium darauf hin, dass innerhalb der Gemeinde Mitarbeiter und Presbyter sich nicht loyal gegenüber dem Vorsitzenden des Presbyteriums verhalten … Pfr. K. weist das Presbyterium darauf hin, dass er dieses Verhalten unmöglich tolerieren kann und bei fortgesetzter Illoyalität darauf drängen wird, die betroffenen Personen aus dem Presbyterium auszuschließen“. Laut Protokoll der Sitzung vom 3. November 1999 verlas der Kläger ein von ihm verfasstes Schreiben an das Presbyterium, in dem er seine Absicht mitteilte, wegen „großen Vertrauensbruchs“ den Vorsitz im Presbyterium mit sofortiger Wirkung niederzulegen. Nach dem Protokoll der außerordentlichen Sitzung vom 10. Februar 2000 legte der Kläger, nachdem sich das Presbyterium hinsichtlich der vorgesehenen Anhörung von Mitarbeitern mehrheitlich für einen anderen Modus als den vom Kläger vorgeschlagenen ausgesprochen hatte, den Vorsitz für diese Sitzung nieder und sah sich nicht imstande, ein Losungswort zu verlesen und auszulegen. Weiter heißt es in dem Protokoll: „Pfr. K. erwidert daraufhin, dass er keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit mit den Herren K. und M. sieht. Die Mitarbeiter sägen schon seit langem an seinem Stuhl und da auch das Presbyterium ihm heute Abend in den Rücken gefallen sei, kann das für ihn nur bedeuten, dass B. einen anderen Pastor braucht. Mit den Worten, er werde dem Presbyterium mitteilen, welche Konsequenzen er aus der heutigen Sitzung zieht, verlässt Pfr. K. die Sitzung gegen 22.15 Uhr“.
Nach entsprechender Ergänzung der Tagesordnung, die mit neun Stimmen bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen beschlossen worden war, befasste sich das Presbyterium in der Sitzung vom 1. März 2000 mit der „Personalangelegenheit Pfr. K.“. Hierzu heißt es im Protokoll: „Nachdem Pfarrer K. die Sitzung verlassen hat, wird in der anschließenden Meinungsbildung immer deutlicher, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Pfarrer K. und dem Presbyterium derart gestört ist, dass eine weitere Zusammenarbeit mit ihm unmöglich erscheint. Die Schwächen, die Pfr. K. gerade in den zwischenmenschlichen Beziehungen zu den für unsere Kirchengemeinde tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern offenbart, sind so gravierend, dass sich das Presbyterium nicht vorstellen kann, wie die unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstandene Unsicherheit und Unzufriedenheit bei Festhalten an Pfr. K. abgestellt werden kann“. Sodann beschloss das Presbyterium mit den Stimmen aller zehn noch anwesenden Mitglieder, dass gegen den Kläger wegen unüberbrückbarer Differenzen ein Verfahren mit dem Ziel der Abberufung aus der B. Pfarrstelle eingeleitet wird.
In einer von ihm einberufenen außerordentlichen Sitzung am 3. April 2000 bat der Kläger das Presbyterium, den Beschluss vom 1. März 2000, ihn von der B. Pfarrstelle abzuberufen, rückgängig zu machen und mit ihm einen Neuanfang zu machen. Ausweislich des auch von ihm unterschriebenen Protokolls gab der Kläger sein Ehrenwort, dass er sich um eine andere Stelle bemühen werde, wenn der Neuanfang scheitern sollte. In geheimer Abstimmung bei Abwesenheit des Klägers entfielen sodann bei drei Enthaltungen fünf Ja- und drei Nein-Stimmen auf den Antrag des Klägers.
In einer weiteren Sitzung des Presbyteriums am 5. April 2000 wurde nach Ergänzung der Tagesordnung folgender Antrag zur Abstimmung gestellt: „Das Presbyterium hält am Beschluss vom 1. März 2000 fest, ein Verfahren auf Abberufung von Pfr. K. einzuleiten. Die Entscheidung vom 3. April 2000, mit der dieser Beschluss zurückgenommen wurde, wird aufgehoben, weil sie nur aufgrund massiver Beeinflussung durch Pfr. K. zustande gekommen ist“. Die geheime Abstimmung hierzu in Abwesenheit des Klägers führte zu folgendem Ergebnis:
8 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen, 1 ungültige Stimme.
Mit Verfügung vom 7. April 2000 beurlaubte der Superintendent des Kirchenkreises … den Kläger einstweilen gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 des Pfarrdienstgesetzes (PfDG) mit Wirkung vom 7. April 2000 von den pfarramtlichen Diensten. Mit Beschluss vom 25. April 2000 beurlaubte das Landeskirchenamt (LKA) des Beklagten den Kläger mit Wirkung vom 28. April 2000 gemäß § 86 Abs. 1 PfDG von dem Dienst in seiner Pfarrstelle. Gegen beide Maßnahmen legte der Kläger Widerspruch ein.
In seiner Sitzung vom 3. Mai 2000 wurde das Presbyterium der Kirchengemeinde B. von dem LKA zu der beabsichtigten Entlassung des Klägers angehört. Von den 13 Mitgliedern des Presbyteriums waren zwölf anwesend. Nach der Anhörung fasste das Presbyterium ohne Gegenstimmen bei drei Enthaltungen folgenden Beschluss: „Die Abberufung von Herrn Pfarrer K., Inhaber der Pfarrstelle der Ev.-Luth. Kirchengemeinde B. im Kirchenkreis … wird bei der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen gemäß § 84 Abs. 2 PfDG beantragt“.
Der Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises … beschloss am 5. Juni 2000 einstimmig mit den Stimmen seiner sämtlichen acht ordentlichen Mitglieder, sich dem Antrag des Presbyteriums auf Abberufung von Herrn Pfarrer K anzuschließen.
Nachdem der Kläger am 5. Juni 2000 durch das LKA zu der beabsichtigten Abberufung angehört worden war, fasste die Kirchenleitung in ihrer Sitzung vom 15. Juni 2000 folgenden Beschluss: „Pfarrer K., Inhaber der Pfarrstelle der Ev.-Luth. Kirchengemeinde B. im Kirchenkreis …, wird gemäß § 84 Abs. 2 PfDG mit Ablauf des 30. Juni 2000 aus seiner Pfarrstelle abberufen“. In der Begründung des hierzu ergangenen Bescheides ist u.a. Folgendes ausgeführt:
„Hier (gemeint ist in der Kirchengemeinde) sind nach den Angaben des Presbyteriums der Kirchengemeinde B. bereits seit Beginn Ihrer Diensttätigkeit Probleme und Spannungen in der Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem Presbyterium sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgetreten, die sich im Wesentlichen auf fehlende Absprachen und Unstimmigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich zurückführen ließen. Die dann im Laufe Ihrer Tätigkeit beobachteten Vorkommnisse führten schließlich zu einem Vertrauensverlust zwischen Ihnen und dem Presbyterium.
Der einmütig benannte Vertrauensverlust wurde im Wesentlichen mit der Art und Weise Ihres Auftretens und Ihrer Persönlichkeit begründet, die sich durch Ihren Absolutheitsanspruch, die fehlende Bereitschaft, abweichende Auffassungen gelten zu lassen, die fehlende brüderliche Zusammenarbeit mit Amtsbrüdern und Amtsschwestern, das Übergehen des Presbyteriums in seiner Funktion als Leitungsorgan, die Nichteinhaltung der bei Ihrem Amtsantritt vorgefundenen Usancen (fehlende Integration in das bestehende Gemeindeleben) – wie der Teilnahme an den vor Ihrem Amtsantritt regelmäßig stattgefundenen Dienstbesprechungen sowie durch die Tatsache, dass Sie das Presbyterium in Ihren höchstpersönlichen Angelegenheiten massiv unter Druck gesetzt haben sollen und durch Ihr gesamtes Verhalten, das von Misstrauen gegenüber dem Presbyterium geprägt gewesen sei, auszeichne.
Nur beispielhaft seien nachfolgende Begebenheiten benannt, die das Verhältnis zwischen dem Presbyterium wie auch anderen Gemeindegliedern und Ihnen unwiderruflich zerstört haben, und die Sie auch nicht entkräften konnten:
(Es folgt eine Aufzählung in 19 Punkten)
Während Ihrer Anhörung im Landeskirchenamt am 5. Juni 2000 haben Sie zwar die Vorwürfe in etlichen Punkten relativiert oder ihnen auch widersprochen.
Es besteht jedoch kein Anlass, daran zu zweifeln, dass die Presbyterinnen und Presbyter wie auch die Mitarbeitenden die Vorkommnisse so empfunden haben und auch empfinden mussten, wie sie dargestellt sind.
Auch Ihre Einlassungen machen deutlich, wie verfahren die Situation geworden ist, wie unterschiedlich die Sachverhalte von Ihnen einerseits und Presbyterinnen und Presbytern sowie den Mitarbeitenden andererseits gesehen werden.
Angesichts der oben aufgezeichneten schwerwiegenden Konflikte, insbesondere auch angesichts des persönlichen und seelischen Drucks, den Sie – teilweise sogar mit Selbstmorddrohungen – auf Ihre Gesprächspartner ausgeübt haben, um Ihre Ziele zu erreichen, und der auch dadurch entstandenen Situation, zusammen mit den übrigen Auseinandersetzungen, sieht die Kirchenleitung keinen Weg, der im Falle Ihres Verbleibs in der Gemeinde ernsthaft eine Aussicht auf dauerhafte Befriedung der Situation bieten könnte.
Die Haltung des Presbyteriums ist damit verständlich und sinnvoll. Die Kirchenleitung hat deshalb nach eingehender Beratung, in die auch Ihre familiäre Situation einbezogen worden ist, den Anträgen von Presbyterium und Kreissynodalvorstand entsprochen.
Auch die im Einzelfall mit einem Wechsel des Dienstes verbundenen Probleme, wie sie in Ihrer letzten ergänzenden Äußerung vorgetragen worden sind, bleiben überschaubar.“
Mit der gegen seine Abberufung erhobenen Klage macht der Kläger geltend: Es fehle bereits an dem für eine Abberufung nach § 84 Abs. 2 PfDG notwendigen Antrag der Kirchengemeinde B.. Die Beschlüsse vom 1. März und 5. April 2000 seien nicht rechtswirksam zustande gekommen, weil in beiden Sitzungen der Tagesordnungspunkt „Personalangelegenheit Pfr. K.“ erst nachträglich jedoch nicht ohne Gegenstimme aufgenommen worden sei. Im Übrigen bezögen sich beide Beschlüsse nicht auf eine Abberufung gemäß § 84 Abs. 2 PfDG. Aus der Formulierung („wegen unüberbrückbarer Differenzen“) und den Gesamtumständen sei eindeutig ersichtlich, dass der Beschluss auf eine Abberufung nach § 84 Abs. 1 Ziff. 2 PfDG gerichtet gewesen sei. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebe, enthalte auch der Beschluss vom 3. Mai 2000 entgegen seinem Wortlaut keinen Antrag auf Abberufung nach § 84 Abs. 2 PfDG, denn auch bei ihm sei eine Rückbeziehung auf den Beschluss vom 1. März 2000 gegeben und auch hier sei das Presbyterium davon ausgegangen, dass ein gedeihliches Wirken des Klägers in der Pfarrstelle nicht mehr gewährleistet sei.
Den im Bescheid vom 15. Juni 2000 beispielhaft benannten Begebenheiten tritt der Kläger mit abweichenden Darstellungen entgegen; zum Teil rügt er auch nur die Unsubstanziiertheit der Vorwürfe. Zu dem Vorhalt, gegenüber einer Presbyterin mit Selbstmord gedroht zu haben, indem er geäußert habe: „Wenn ich keine Familie hätte, würde ich mir heute das Leben nehmen“, trägt er vor, keine solche Äußerung getan zu haben; er habe sich vielmehr sinngemäß dahingehend geäußert, man könne schon auf den Gedanken kommen, Schluss zu machen, wenn man keine Familie hätte.
Der Kläger macht ferner geltend, die Entscheidung der Beklagten sei auch materiell ermessensfehlerhaft. Auf die sich angesichts der kurzen Dienstzeit aufdrängende Frage eines Missbrauchs, nämlich ob über den Weg eines Abberufungsverfahrens der Versuch unternommen worden sei, eine bei der Besetzung der Pfarrstelle getroffene Auswahlentscheidung zu revidieren und sich eines unter Umständen nicht ganz einfachen Pfarrers zu entledigen, sei überhaupt nicht eingegangen worden. Hierzu habe aber gerade deshalb Veranlassung bestanden, weil er – der Kläger – zu Beginn seiner Amtszeit mit Verhaltensweisen insbesondere der kirchlichen Mitarbeiter konfrontiert gewesen sein, die seinen Vorstellungen von einer korrekten Amtsführung nicht entsprochen hätten. Die damit verbundenen Konflikte seien in das Presbyterium hineingetragen worden. Auch sei keine Ermessensausübung erkennbar hinsichtlich der Erforderlichkeit der Maßnahme und der für ihn und seine nächsten Angehörigen entstehenden Belastungen. Ferner sei die Tatsache unberücksichtigt geblieben, dass sein Dienst in weiten Teilen der Gemeinde positiv aufgenommen worden sei, was ca. 200 Gemeindeglieder durch ihre Eintragung in Unterschriftenlisten zum Ausdruck gebracht hätten.
Der Kläger beantragt,
den Abberufungsbescheid der Beklagten vom 15. Juni 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt im Einzelnen aus, dass die Abberufung des Klägers keine Verfahrensfehler erkennen lasse. Insbesondere liege mit dem in der Sitzung des Presbyteriums vom 3. Mai 2000 gefassten Beschluss ein rechtswirksamer Antrag auf Abberufung nach § 84 Abs. 2 PfDG vor. Auch habe die Kirchenleitung das ihr eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Im Rahmen des Abwägungsprozesses seien neben der vorgefundenen dienstlichen Situation auch die persönliche Situation des Klägers und dessen weitere Perspektiven erörtert worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des LKA Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Abberufungsbescheid vom 15. Juni 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die von der Kirchenleitung im Rahmen ihrer Zuständigkeit (vgl. § 85 Abs. 1 Satz 1 PfDG) getroffene Abberufungsentscheidung nach § 84 Abs. 2 PfDG weist keine Rechtsfehler auf. Nach dieser Vorschrift können Pfarrer abberufen werden, wenn das Leitungsorgan ihrer Anstellungskörperschaft, bei Gemeindepfarrern zusätzlich der Kreissynodalvorstand, dies mit einer Mehrheit von zwei Dritteln des ordentlichen Mitgliederbestandes beantragt.
Die danach erforderliche Beantragung durch das Presbyterium der Kirchengemeinde … ist jedenfalls durch den Beschluss vom 3. Mai 2000 erfolgt, sodass die Frage der Rechtswirksamkeit der ebenfalls auf Abberufung abzielenden Beschlüsse des Presbyteriums vom 1. März und 5. April 2000 dahingestellt bleiben kann. Der Beschluss vom 3. Mai 2000 ist mit neun Ja-Stimmen gefasst worden. Da das Presbyterium aus 13 Mitgliedern besteht, ist das gesetzlich vorgeschriebene Quorum von zwei Dritteln des ordentlichen Mitgliederbestandes eingehalten.
Der Antrag ist nach seinem eindeutigen Wortlaut auch auf eine Abberufung nach § 84 Abs. 2 PfDG gerichtet. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Beschlussfassung andere Vorstellungen bestanden haben könnten, wie es der Kläger geltend macht, liegen nicht vor, zumal das Presbyterium zuvor durch eine Mitarbeiterin des LKA über die Unterschiede der Abberufung nach
§ 84 Abs. 2 und nach § 84 Abs. 1 Ziff. 2 PfDG unterrichtet worden war. Soweit der Kläger meint, die Motivlage des Presbyteriums sei auch hier – wie bei den früheren Beschlüssen – an Tatbestandsmerkmalen des § 84 Abs. 1 Ziff. 2 PfDG orientiert gewesen, ist dies unerheblich. Denn es liegt auf der Hand, dass auch die Beantragung der Abberufung nach § 84 Abs. 2 PfDG ihren Grund in Unzuträglichkeiten im gemeindlichen Zusammenwirken hat.
Der Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises …, der eine Stellungnahme zu dem Abberufungsverlangen der Kirchengemeinde B abgegeben hat und damit als angehört im Sinne des § 85 Abs. 2 Satz 1 PfDG anzusehen ist, hat sich dem Abberufungsantrag des Presbyteriums durch Beschluss vom 5. Juni 2000 mit den Stimmen seiner sämtlichen acht Mitglieder angeschlossen, sodass auch insoweit die von § 84 Abs. 2 PfDG geforderte qualifizierte Mehrheit gegeben ist.
Die nach § 85 Abs. 2 Satz 1 PfDG vorgeschriebene Anhörung des Klägers ist im Anhörungstermin vom 5. Juni 2000 durchgeführt worden. Darüber hinaus hat die Kirchenleitung ausweislich der Verhandlungsniederschrift vom 14./15. Juni 2000 auch die schriftsätzliche Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten vom 13. Juni 2000 berücksichtigt. Die Anhörung des Presbyteriums der Kirchengemeinde B. ist am 3. Mai 2000 erfolgt.
Die Abberufung des Klägers, bei der er es sich, wie der Wortlaut des § 84 Abs. 2 PfDG zeigt („können“), um eine Ermessensentscheidung handelt, hält auch materiellrechtlich der gerichtlichen Kontrolle stand. Ermessensentscheidungen sind nach § 46 des Kirchengesetzes über die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit – Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG) – nur daraufhin zu überprüfen, ob die Entscheidung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Norm nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Kirchenleitung überhaupt ihr Ermessen betätigt hat. Insbesondere die Ausführungen unter III. in der Begründung des Abberufungsbescheides zeigen, dass ein Abwägungsprozess zwischen den Interessen der Kirchengemeinde und denen des Klägers stattgefunden hat.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch. Die Beklagte hat sich im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehalten und bei der Entscheidung auch die Zwecksetzung der Ermächtigungsnorm nicht verfehlt.
Vorrangiger Zweck des § 84 Abs. 2 PfDG ist es, Störungen des Gemeindefriedens zu begegnen. Eine eingetretene Störung des Gemeindefriedens (Zerrüttung) kommt nach der Struktur der Norm schon dadurch zum Ausdruck, dass mindestens zwei Drittel des Leitungsorgans der Gemeinde durch ihre Stimmabgabe zu erkennen gegeben haben, keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem abzuberufenden Pfarrer zu sehen. Bedarf es damit anders als im Falle des § 84 Abs. 1 Ziff. 2 PfDG keiner Einzelfeststellungen zu der Frage, weshalb ein gedeihliches Wirken in der Pfarrstelle nicht mehr gewährleistet erscheint, so ist, um eine missbräuchliche Inanspruchnahme der in die Rechtsstellung des betroffenen Pfarrers erheblich eingreifenden Ermächtigung auszuschließen, auch im Rahmen des § 84 Abs. 2 PfDG zu verlangen, dass weitere Indikatoren für die Störung des Gemeindefriedens bei der Abberufungsentscheidung berücksichtigt worden sind. Dies hat die Beklagte in Würdigung der zahlreichen schriftlichen und mündlichen Äußerungen von Presbyteriumsmitgliedern und Mitarbeitern zu Defiziten in der gemeindlichen Zusammenarbeit mit dem Kläger getan, die ausweislich der Verwaltungsakten nahezu von Anfang an die pfarramtliche Tätigkeit des Klägers in der Kirchengemeinde … begleiten. Dass der Kläger die Vorkommnisse anders darstellt oder bewertet, beseitigt nicht die Relevanz der Äußerungen für den auch durch die Protokolle über die Sitzungen des Presbyteriums bestätigten Befund, dass es schon kurz nach dem Dienstantritt des Klägers keine konfliktfreien Zeiten in der Gemeinde mehr gegeben hat und der Gemeindefrieden nachhaltig gestört ist. Die Beklagte durfte sie also bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen und, wie in dem Abberufungsbescheid ausgeführt, als Beleg für die verfahrene Situation werten. Damit entfällt insoweit auch die Notwendigkeit weiterer gerichtlicher Sachverhaltsaufklärung etwa durch Zeugenvernehmung. Nur ergänzend sei bemerkt, dass hinsichtlich eines besonders gravierenden Vorwurfs, nämlich der Selbstmorddrohung gegenüber einer Presbyterin, auch die vom Kläger eingeräumte Fassung der Äußerung (man könne schon auf den Gedanken kommen, Schluss zu machen, wenn man keine Familie habe) die Ausübung verwerflichen psychischen Drucks erkennen lässt.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte das „Abwägungsmaterial“ nicht vollständig zusammengetragen und bei ihrer Entscheidung maßgebliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen haben könnte. Der Frage des Verschuldens hinsichtlich der eingetretenen Zerrüttung braucht im Rahmen der Entscheidung nach § 84 Abs. 2 PfDG nicht nachgegangen zu werden. Die Ausführungen am Ende des Abberufungsbescheides zeigen, dass die persönliche und familiäre Situation des Klägers gewürdigt worden ist. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geschilderte und von ihm so bezeichnete „gesellschaftliche Stigmatisierung“ als Folge der Abberufung war nicht vorhersehbar; sie lässt im Übrigen Zweifel an der Einschätzung des Klägers aufkommen, noch eine hinreichende Basis für eine wirkungsvolle Gemeindearbeit in … vorzufinden. In der Vorlage für die Sitzung der Kirchenleitung, die ausweislich der Verhandlungsniederschrift von der Kirchenleitung auch diskutiert worden ist, sind positive Aspekte der Gemeindearbeit des Klägers ausdrücklich hervorgehoben; erwähnt ist auch, dass sich ca. 170 Personen durch Unterschriftsleistung für einen Verbleib des Klägers in der Gemeinde ausgesprochen haben. Erwogen (und letztlich verworfen) sind ferner anderweitige Möglichkeiten zur Behebung der Probleme und eines Neuanfangs in der Gemeinde.
Dass die Beklagte dem Aspekt der Wiederherstellung des Gemeindefriedens das ausschlaggebende Gewicht beigemessen hat, ist von der Zwecksetzung der Ermächtigungsnorm her nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 1 VwGG.