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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:16.07.1998
Aktenzeichen:VK 8/98
Rechtsgrundlage:VwGG § 51, 71
VwGO § 123
ZPO § 294
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Einstweilige Anordnung, Beurlaubung
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Leitsatz:

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren der Aufhebung eines Beurlaubungsbeschlusses ist unzulässig, weil er eine Entscheidung in der Hauptsache wegen Beurlaubung vorwegnehmen würde.

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast.) ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde D. .
Am 29.06. 1996 hat das Presbyterium der Kirchengemeinde beschlossen, den Antrag zu stellen, den Ast. nach § 49 Abs. 1 b Pfarrdienstgesetz (PfDG) abzuberufen. Auf Aufforderung des Kreissynodalvorstandes des Kirchenkreises … konkretisierte das Presbyterium mit Beschluss vom 25. Februar 1997 die Begründung des Abberufungsantrags. Am 2. August 1997 stimmte der Kreissynodalvorstand dem Abberufungsantrag zu und legte den Vorgang dem Landeskirchenamt vor, bei dem Abberufungsantrag, Kreissynodalvorstandsstellungnahme und weitere Vorgänge am 12. September 1997 eingingen. In seiner Sitzung vom 6. Januar 1998 beschloss das Landeskirchenamt:
„Das Abberufungsverfahren gegen Pfarrer R., Evangelische Kirchengemeinde D., (5. Pfarrstelle), Kirchenkreis …, wird eingeleitet (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 PfDG).“
Am 22./23. April 1998 folgte der Beschluss der Antragsgegnerin (Agin):
„Pfarrer R., Inhaber der 5. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde D., Kirchenkreis …, wird gemäß § 84 Abs. 1 Ziff. 2 PfDG aus seiner Pfarrstelle abberufen.“
Dies wurde dem Betroffenen mit Schreiben vom 23. April 1998 mitgeteilt, allerdings mit der Angabe „§ 84 Abs. 2 PfDG“. Die Berichtigung erfolgte mit Schreiben vom 7. Mai 1998.
In der Sitzung am 5. Mai 1998 beschloss schließlich das Landeskirchenamt:
„Pfarrer R., Evangelische Kirchengemeinde d., Kirchenkreis …, wird mit sofortiger Wirkung von dem Dienst in seiner Pfarrstelle beurlaubt (§ 86 Abs. 1 PfDG).“
In der Mitteilung an den Ast. vom gleichen Tag hat die Agin. die Maßnahme als einstweilige Anordnung bezeichnet. Eine Begründung und eine Rechtsmittelbelehrung enthält das Schreiben nicht.
Der Ast. hat sich mit Schriftsatz vom 22. Mai 1998 an die Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen gewandt und gegen seine Abberufung Klage erhoben. Das Verfahren ist unter dem Az. VK 6/981# anhängig. Gleichzeitig wendet er sich gegen seine Beurlaubung. Das vorliegende, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete Verfahren, wird unter dem Az. VK 8/98 geführt.
Der Ast. macht geltend, die Anrufung der Verwaltungskammer sei zulässig. Insbesondere sei die Kammer nicht durch die Bestimmung des § 86 Abs. 3 PfDG gehindert, die vorläufige Maßnahme bis zum Abberufungsbeschluss möglich mache, ohne durch kirchengerichtliche Nachprüfung bedroht zu sein. Wenn das Landeskirchenamt auf die vorläufige Maßnahme der Beurlaubung fast zwei Jahre lang verzichtet habe, stehe ihr nach dem Erlass des Abberufungsbescheides das Mittel der Beurlaubung mangels fehlender gesetzlicher Regelung nicht zu. Der Ast. habe deshalb einen Anspruch darauf, mindestens bis zur Rechtskraft eines ihm ungünstigen Urteils in seiner Pfarrstelle zu verbleiben und zu arbeiten.
In der Sache selbst wendet er sich gegen die von der Agin. für die Abberufung genannten Gründe.
Der Ast. beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung den Beschluss des Landeskirchenamtes vom 5. Mai 1998 auf Beurlaubung aufzuheben.
Die Agin. beantragt sinngemäß,
den Antrag abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Antrag unzulässig sei, weil der Beurlaubungsbeschluss nach § 86 Abs. 3 PfDG nicht der kirchengerichtlichen Kontrolle unterliege. Veranlasst durch den Hinweis des Berichterstatters auf § 11 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zum PfDG (AGPfDG) vom 14. November 1996 hat sie ausgeführt, Rechtsgrundlage für das vorliegende Abberufungsverfahren sei das PfDG vom 15.06.1996. Das Abberufungsverfahren sei erst nach In-Kraft-Treten des Gesetzes am 1. Januar 1997 durch den Beschluss des Landeskirchenamtes vom 6. Januar 1997 eingeleitet worden. Maßgeblicher Zeitpunkt sei nicht der Beschluss des Presbyteriums der Gemeinde, sondern des Landeskirchenamtes. Das Verfahren nach § 84 Abs. 1 PfDG setze keinen Antrag des Presbyteriums voraus, sondern könne durch das Landeskirchenamt eingeleitet werden (§ 95 PfDG). In der Praxis handele es sich bei entsprechenden Beschlüssen des Presbyteriums oftmals um „Hilferufe“ an das Landeskirchenamt. Teilweise würden solche Beschlüsse auch mehrfach gefasst, ohne dass dadurch das Verfahren begönne. Eine große Zahl von Einzelfällen werde in diesem Zusammenhang durch eine einvernehmliche Abberufung gelöst, also mit Zustimmung des betroffenen Pfarrers.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Agin. Bezug genommen.

II.

Die Anrufung der Verwaltungskammer ist entgegen der Auffassung der Agin. hier noch möglich. Jedoch ist das auf § 51 Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGG) gestützte Begehren des Ast. unzulässig.
  1. Die kirchengerichtliche Überprüfung der Anordnung der Beurlaubung eines Pfarrers ist jedenfalls dann noch gegeben, wenn das Abberufungsverfahren, in dessen Zusammenhang die Beurlaubung ausgesprochen worden ist, vor dem 31. Dezember 1996 eingeleitet worden ist. Der Verwaltungsrechtsweg ist hier gemäß § 19 Abs. 2 VwGG gegeben, weil es sich um die Entscheidung einer Streitigkeit aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Kirche handelt.
    Der Rechtsweg ist nicht durch § 86 Abs. 2 Satz 2 PfDG in der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung ausgeschlossen, weil das Gesetz gemäß § 11 Abs. 2 Ausführungsgesetz zum PfDG vom 14. November 1996 in der neuen Fassung nur auf solche Abberufungsverfahren anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 1996 eingeleitet worden sind. Das Verfahren zur Abberufung des Ast. ist entgegen der Auffassung der Agin. nicht erst mit dem Beschluss des Landeskirchenamtes vom 6. Januar 1997 eingeleitet worden, sondern mit der Beantragung der Abberufung des Ast. durch das Presbyterium der Anstellungsgemeinde des Ast. Das PfDG in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung sieht einen Beschluss der Kirchenleitung über die Einleitung eines Abberufungsverfahrens nicht vor. Entgegen der Auffassung der Agin. kann unter Einleitung im Sinne der oben zitierten Übergangsvorschrift nur der Beginn des in den §§ 49 ff. PfDG geregelten Abberufungsverfahrens verstanden werden. Am Beginn dieses Verfahrens steht nach § 50 PfDG alter Fassung ein Antrag des Leitungsorgans der Anstellungskörperschaft oder des Kreissynodalvorstandes. Diesen Antrag hat das Presbyterium der Kirchengemeinde … noch im Jahre 1996 gestellt.
  2. Der Antrag des Ast. auf Erlass der gerichtlichen einstweiligen Anordnung ist jedoch unzulässig, weil er mit dem Begehren „Aufhebung des Beurlaubungsbeschlusses“ eine Entscheidung in der Hauptsache „Beurlaubung“ vorwegnimmt. Nach §§ 51 Abs. 1 und 71 VwGG i.V.m. § 123 Abs. 1 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und §§ 920 Abs. 2 und 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann eine einstweilige Anordnung nur ergehen, wenn ein Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anordnungsanspruch zusteht, dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss (Anordnungsgrund). Dabei dient die einstweilige Anordnung nur der Sicherung von Rechten des Antragstellers, nicht ihrer Befriedigung, sodass sie die Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorwegnehmen darf. Nur ausnahmsweise ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung, die einer Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache gleichkommt, zulässig, wenn ein wirksamer Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren nicht erreichbar ist und der Antragsteller ohne Erlass der einstweiligen Anordnung des begehrten Inhalts in unzumutbarer Weise belastet würde.
    Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 6. Dezember 1972 – I B 552/72 – Justizministerialblatt NW 1973, 71 und Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO-Kom., Rand-Nr. 63 zu § 123 VwGO, mit jeweils weit. Nachweisen.
    Die vorgenannten Ausnahmevoraussetzungen liegen im Falle des Ast. nicht vor.
    Soweit es das Anliegen des Ast. ist, in der Kirchengemeinde … bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Abberufung weiter arbeiten zu können, kann er dieses Anliegen mit einer Klage gegen die kirchliche Anordnung seiner Beurlaubung als gesondertem, von der Anordnung zur Abberufung zu unterscheidenden Verwaltungsakt verfolgen und mit einem Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Beurlaubung nach § 24 Abs. 2 VwGG erreichen. Dass es sich bei der Beurlaubung um einen zurzeit selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt gehandelt hat, hat die Verwaltungskammer in ihrem Urteil vom 6. März 1989 mit dem Az.: VK 4/1988 rechtskräftig entschieden.
  3. Mit Rücksicht auf die schon abgelaufene Zeit und die übliche Dauer eines Abberufungsverfahrens liegen auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 Satz 1 VwGG vor.
Nach alledem ist in dem vorliegenden, gesonderten Verfahren der Antrag nach § 51 VwGG mit der Kostenfolge aus § 66 Abs. 1 VwGG abzulehnen.

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1 ↑ Nr. 98.